Was versteht man unter Transformativer Atemarbeit?

Rebirthing Breathwork Holotropic Breathwork
Sternenhimmel mit der Milchstraße über einer Berglandschaft, Person mit Taschenlampe auf Gipfel

© Dino Reichmuth

© Johannes Plenio

Transformative Atemarbeit wie Rebirthing Breathwork oder Holotropic Breathwork ist längst mehr als ein Randthema alternativer Heilmethoden. Die natürliche Kraft des Atems ermöglicht dabei, tiefliegende Bewusstseinsebenen zu erreichen und mit ihnen zu arbeiten. Weltweit entdecken immer mehr Vertreter aus dem psychotherapeutischen Bereich, Coaching, Leadership Development und Sinnsuchende die Wachstums- und Heilungschancen durch transformative Atemarbeit. Heute hat sie sich als wesentlicher Baustein der modernen, progressiven Persönlichkeits- und Bewusstseinsentwicklung etabliert.

Dieser Artikel beleuchtet Ursprung, Anwendungspraxis und Funktionsweise der transformativen Atemarbeit, insb. Rebirthing und Holotropic Breathwork.

Woher kommt die transformative Atempraxis?

Ausgangspunkt der transformativen Atemarbeit, wie wir sie heute im Westen nutzen, liegt in den 1970er-Jahren, als zwei Pioniere unabhängig voneinander auf die Kraft des Atems als Weg zur Heilung stießen:

  • Leonard Orr entwickelte das Rebirthing Breathwork, eine Methode, bei der mittels bewusster und verbundener Atmung ein veränderter Bewusstseinszustand erlangt wird, um sich von unbewussten Programmierungen zu befreien (Orr, 1977).

  • Fast zeitgleich erforschten der Psychiater und Psychotherapeut Stanislav Grof und seine Frau Christina Grof das Holotropic Breathwork, welches ebenfalls auf die Arbeit mit einem veränderten, dem sog. “holotropem” Bewusstseinszuständen arbeitet

Diese beiden Richtungen gelten als die beiden zentralen Ausgangspunkte der westlichen transformativen Atemarbeit, aus denen sich in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Weiterentwicklungen und Strömungen herausgebildet haben.

Tatsächlichen Ursprünge der bewussten Arbeit mit dem Atem reichen jedoch in zum Teil Jahrtausend alte Traditionen und Kulturen zurück.

Wo wird transformative Atemarbeit eingesetzt?

Die transformative Atempraxis wird heute in vielen Bereichen erfolgreich eingesetzt:

  • Selbsterfahrung & Persönlichkeitsentwicklung: Zur Lösung von inneren Blockaden, zur Stärkung des Selbstkontakts

  • Stressbewältigung & Prävention: Zur Regulation des Nervensystems, Steigerung der Resilienz

  • Körperarbeit & Coaching: Zur Aktivierung unterdrückter Gefühle und körperlicher Energien

  • Psychotherapie: Zur Trauma-Integration, bei Depressionen, Ängsten, psychosomatischen Beschwerden

  • Spiritualität: Als Werkzeug zur Bewusstseinserweiterung und Sinnfindung

Was ist der Mehrwert von transformativer Atemarbeit?

Viele Teilnehmende berichten nach einer Atemsitzung von einem Gefühl tiefer innerer Ruhe, Klarheit und Befreiung. Emotionale Lasten, die oft über Jahre unbewusst mitgetragen wurden, können sich lösen – nicht analytisch, sondern somatisch und erlebensbasiert. Die Rückverbindung mit dem eigenen Körper, mit Gefühlen, inneren Bildern oder transpersonalen Erfahrungen stärkt das Gefühl von Selbstwirksamkeit, Sinn und Verbundenheit.

Konkret kann transformative Atemarbeit unterstützen bei der

  • Auflösung von körperlich und geistig tief verankertem Stress

  • Überwindung emotionaler Altlasten, Traumata und innerer Blockaden

  • Lösung limitierende Glaubensgrundsätze, Muster und Programmierungen

  • Realisierung vom Wunsch nach innerem Wachstum und Weiterentwicklung

  • Verarbeitung geistiger und seelischer Identitäts- und Lebenskrisen

Wichtig zu wissen: Transformative Atemsitzungen ersetzen grundsätzlich keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung.

“Der verbundene Atem ist das direkteste Werkzeug zur Befreiung unterdrückter Lebensenergie.”

— Leonard Orr, Rebirthing Breathwork Begründer

Wie funktioniert transformative Atemarbeit?

Allen Varianten gemeinsam ist das Prinzip des bewussten, verbundenen Atmens: Der Atemfluss wird intensiviert, ohne Pausen zwischen Ein- und Ausatmung. Dies erzeugt eine physische und psychische Aktivierung, die tief liegende emotionale Inhalte, Körpererinnerungen oder transpersonale Erfahrungen (z. B. archetypische Bilder oder Einheitsgefühle) an die Oberfläche bringen kann.

Die veränderte Atemdynamik wirkt direkt auf das autonome Nervensystem, insbesondere auf die Balance zwischen Sympathikus (Aktivierung) und Parasympathikus (Entspannung). Gleichzeitig verändert sich die neuronale Verarbeitung im Gehirn: Studien zeigen, dass bewusstes Atmen sowohl die Amygdala-Aktivität (Zentrum für emotionale Reaktion) als auch die funktionale Konnektivität in Selbstwahrnehmungsnetzwerken beeinflussen kann (Zaccaro et al., 2018).

Wie läuft eine Atemsitzung ab?

Atemreisen werden im Gruppenformat oder auch in individuellen Sitzungen durchgeführt. Eine Atemsitzung dauert in der Regel 1,5 bis 3 Stunden und wird von einer geschulten Fachperson begleitet.

  • Individuelle Sitzungen beginnen i.d.R. mit einem Vorgespräch, um aktuelle Themen, Wünsche und mögliche Grenzen zu klären. Bei Gruppen erfolgt zunächst eine allgemeine Einführung und Information zu Kontraindikationen.

  • Anschließend folgt die eigentliche Atemsitzung (ca. 90-120 Minuten und länger), begleitet von Musik und ggf. körperfokussierter Arbeit (z. B. durch Berührungen oder verbale Impulse bei Wunsch durch Klient).

  • Nach dem Atemprozess ist Zeit für Integration – durch Austausch, Stille, Schreiben oder kreative Ausdrucksformen. In Gruppensettings kommen auch Sharing-Runden zum Einsatz.

Mehr Details zum Ablauf von Atemreisen ist hier zu finden.

“Atemarbeit öffnet Türen zu Bewusstseinsebenen, die mit Worten allein nicht zugänglich sind.

— Stanislav Grof, Psychiater, Psychotherapeut

Gibt es Risiken oder Kontraindikationen?

Atemarbeit ist eine kraftvolle Methode, die intensive körperliche, emotionale und psychische Prozesse aktivieren kann. Aus diesem Grund ist eine normale körperliche und geistige Belastbarkeit Voraussetzung für eine Atemsitzung und die Teilnahme in bestimmten Fällen kontraindiziert. Kontraindikationen umfassen (zum Teil abhängig vom Grad der Beeinträchtigung):

  • Akute oder vergangene Psychosen, Bipolaren Störungen, schweren Depressionen insb. mit Suizidgedanken, Dissoziativen Störungen, Epilepsie oder Krampfanfällen, Traumafolgestörungen

  • Bluthochdruck, Koronaren Herzerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall, Aneurysmen

  • Schweres oder instabiles Asthma, COPD/Chronisch-Obstruktive Lungenerkrankung, Lungenemphysem, akute Atemwegsinfektionen

  • Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus, Störungen des Elektrolythaushalts, Neigung zu Ohnmacht oder Kreislaufkollaps, Hyperventilationssyndrom

  • Frische Operationen oder Verletzungen, Schwere orthopädische Erkrankungen wie Bandscheibenvorfälle, Glaukom/erhöhter Augeninnendruck, häufige oder sehr starke Migräneanfälle

  • Teilnahme während der Schwangerschaft nicht empfohlen, insbesondere im ersten und dritten Trimester, da die Atemtechnik wehenfördernd wirken kann.

    Weiterhin ist eine Teilnahme in den ersten Monaten nach der Entbindung, insb. umausgeheilten Wunden nicht empfohlen.

  • Medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka (z. B. Neuroleptika, Benzodiazepine, MAO-Hemmer) oder blutdrucksenkende oder herzaktive Medikamenten (nur nach ärztlicher Rücksprache)

  • Weitere Einschränkungen sind akute emotionale Krisen ohne therapeutische Begleitung oder aktiver Alkohol- oder Drogenmissbrauch

Was ist sonst zu beachten?

Transformative Atemarbeit ist kein Ersatz für medizinische oder psychotherapeutische Behandlung, kann aber eine kraftvolle Ergänzung sein. Entscheidend ist die Qualifikation der Begleitperson: Eine fundierte Ausbildung, Erfahrung mit Krisenprozessen und eine klare ethische Haltung sollten selbstverständlich sein.

Zudem gilt: Die Integration nach der Sitzung ist genauso wichtig wie das Erleben selbst. Erst durch bewusste Reflexion, achtsame Nachsorge und gegebenenfalls weitere Begleitung kann das Erlebte wirklich wirksam werden.

Fazit

Die transformative Atemarbeit ist ein uraltes, zugleich hochmodernes Werkzeug auf dem Weg zu sich selbst. Sie eröffnet Zugang zu inneren Räumen, die mit Worten bedingt erreichbar sind – und ermöglicht so Heilung- und Wachstumsprozesse auf mentaler, körperlicher und seelischer Ebene.

Wer bereit ist, sich auf diesen Weg einzulassen, dem eröffnet sich eine kraftvolle Dimension: Die Bewusstwerdung Rückverbindung dem eigenen Wesen.

Quellen

  • Orr, L. (1977). Rebirthing in the New Age

  • Grof, S. (1985). Beyond the Brain

  • Walch, S. (2002). Dimensionen der menschlichen Seele

  • Zaccaro, A. et al. (2018). How breath-control can change your life: A systematic review on psychophysiological correlates of slow breathing. Frontiers in Human Neuroscience

  • Grof, S., & Grof, C. (2010). Holotropic Breathwork: A New Approach to Self-Exploration and Therapy